Homestory

Künstlerische Aura

Die italienische Modedesignerin Erika Cavallini bewohnt mit ihrem Mann ein Haus, das Geschichte atmet: Seit den 1930er-Jahren im Familienbesitz, war es schon Jahrhunderte zuvor Domizil eines gefragten Malers und Dekorateurs. Heute beleben die Cavallinis es mit ihrem ganz eigenen Stil.

Das Läuten der Glocken ruft uns ins Gedächtnis, dass es schon fast Mittagszeit ist. Das Geräusch von Schritten und die Gespräche der Passanten scheinen gemütlich dem Lauf der Zeit zu folgen, obwohl das Leben in einer Kleinstadt in fast direktem Gegensatz zum frenetischen Rhythmus der Modeszene steht. Dennoch erweckt Erika Cavallini, Leiterin der Marke Semi-Couture, für die sie auch als Stylistin arbeitet, den Eindruck, sich in dieser kleinen Welt rundum wohlzufühlen.

Ihr Heim ist ein Hafen, der sie willkommen heißt und darauf ausgelegt ist, ihr die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu finden, und das immer wieder: Es ist ein Ort, der dem Experimentieren einer sich fortwährend verändernden Kreativität gewidmet ist. Das Flair einer alles umfassenden künstlerischen Herangehensweise liegt in der Luft, die von dem Entwerfen von Kleidung bis hin zur Fotografie reicht, beständig neues sowie unentdecktes Gebiet durchzieht und damit Erika Cavallinis ohnehin schon beeindruckenden kulturellen wie ausdruckstechnischen Hintergrund noch erweitert.

„Das Haus, in dem mein Mann Andrea und ich seit etwa sieben Jahren leben“, erzählt uns Erika Cavallini, „gehört bereits seit den 1930er-Jahren seiner Familie. Hier in der Stadt ist es das einzige Wohngebäude, das Einschränkungen mit dem Ziel der Bewahrung des künstlerischen Erbes unterliegt. Es liegt am wichtigsten Corso und wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts errichtet. Im späten 18. Jahrhundert wurde die rückwärtige Seite umgebaut und erweitert. Zur gleichen Zeit wurde auch eine weitläufige Treppe eingebaut. Dieses Gebäude war das Domizil des Malers und Dekorateurs Gaetano Lodi, der ursprünglich aus dieser Gegend stammte. Seinen Ruhm erlangte er mit der Einrichtung einer Villa der Familie Medici in Poggio a Caiano sowie der des Theaters Verdi in Crevalcore und vieler anderer Gebäude in der Nachbarschaft von Bologna, wo auch dieses Haus steht.

Zeuge seiner Gegenwart sind die zahlreichen Fresken, die Ende der 1990er-Jahre wiederhergestellt wurden – eines davon ist das Fresko an der Decke unseres Wohnzimmers. Ich liebe es, mir vorzustellen, dass die Wände Zeugen des Lebens eines hochtalentierten Künstlers geworden sind. Die Aura seiner Präsenz leistet mir oft Gesellschaft, wenn ich an den künstlerischen Aspekten eines Projekts arbeite.“

Das Haus liegt im ersten Stock und verfügt über eine Fläche von 260 Quadratmetern sowie einen Innenhof. Das Leben des Paares hier war nicht immer einfach, vor allem dann nicht, als sie im Mai 2012 Opfer eines starken Erdbebens wurden, das schwere Schäden im Inneren des Gebäudes verursachte. Da sie quasi bei null anfangen mussten, beschlossen Erika und Andrea Cavallini, bereits bestehende Elemente in Teilen beizubehalten, wie die antiken Holztüren, und einige Bereiche unverändert zu lassen (im Wesentlichen Küche und Bäder). Doch im Rest des Hauses hat sich einiges geändert, angefangen von den Fußböden, die nun aus weißem Gussharz bestehen, bis hin zu den verschiedenen Farben, die den Wänden jedes einzelnen Raumes einen eigenen Charakter verleihen. Bei allen diesen Farben handelt es sich um satte, intensive Töne aus der beeindruckenden Farbpalette von Farrow & Ball.

Was die Möblierung angeht, haben sie sich für eine Mischung aus Stücken aus Andreas Familie, die stilistisch die Zeit vom Königreich Neapel im 19. Jahrhundert bis in das frühe 20. Jahrhundert abdecken, und Möbeln aus den 1950ern entschieden, die sie auf Auktionen und Secondhand-Märkten erstanden haben.