Mittelstädte – die heimlichen Stars
Städte wie Braunschweig, Karlsruhe oder Erfurt gedeihen prächtig im Schatten der Großen. Hält der Trend an, kann man sie bald nicht mehr übersehen.
Die Deutschen werden immer urbaner. Jedes Jahr zieht es mehr Menschen in die Städte. Allerdings nicht nur in die größten und bekanntesten. Es müssen nicht zwangsläufig die üblichen „Big Seven“ von Hamburg bis München sein, auch Mittelstädte profitieren vom Trend. Oft bieten sie schon die gesuchte breite Palette an Möglichkeiten, bleiben aber fassbarer und persönlicher. Kurz gesagt: Sie bieten die Vorteile des Urbanen ohne dessen Nachteile. Das ist es, was derzeit viele reizt.
ANDERS ALS ERWARTET – NICHT NUR METROPOLEN SIND HIP
Gerade die Jungen zieht es verstärkt in Städte – oft wegen Universität, Arbeit, Kultur. In welche Städte die 20- bis 34-Jährigen bevorzugt schwärmen, hat das empirica-Institut für den Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) in einer Studie herausgefunden. Die zeigt auch, dass, anders als erwartet, nicht nur die Metropolen hipp sind. So folgen hinter München, Leipzig und Frankfurt am Main direkt Mittelstädte wie Heidelberg, Darmstadt, Regensburg, Dresden, Karlsruhe und Freiburg. Selbst das kleine Mainz steht da mehr im Fokus als das vielbeschworene Berlin, das es gerade mal auf Platz 18 schafft.
Von Senioren weiß man schon lange, dass mit zunehmendem Alter die Lust auf Großstadt verfliegt. Da reizen plötzlich Garmisch-Partenkirchen Weimar, Potsdam oder Baden-Baden mehr.
Manche nennen sie B-Städte, weil sie in ihrer Bekanntheit hinter den Millionenstädten zurückstehen. Dass Städte wie Mannheim, Erfurt, Osnabrück oder Aachen nicht in aller Munde sind, tut der Lebensqualität dort aber keinen Abbruch. Oft ist man schneller in der Natur, die Wege sind kürzer, der Alltag ist weniger hektisch, alles bleibt überschaubarer.
AUCH KONZERNE SETZEN MIT IHREN ZENTRALEN AUF MITTELSTÄDTE
Gleichzeitig geht es der Wirtschaft in ausgesuchten Mittelstädten gut, auch große Konzerne haben gar nicht selten hier ihren Sitz. Auch manch Hidden Champion, wie man die heimlichen Marktführer nennt, setzt bewusst gerade auf die Lage außerhalb der Ballungszentren.
Oftmals sind B-Städte zu Unrecht unterschätzt. Das wird in letzter Zeit immer mehr Menschen klar. In Münster beispielsweise sind innerhalb der letzten drei Jahre 32,6 Prozent mehr zu- statt fortgezogen, in Augsburg 22 Prozent, in Potsdam 19,4 Prozent und in Freiburg 17,9 Prozent. Die Einwohnerzahlen steigen konstant.
INVESTOREN SCHÄTZEN WACHSTUMSPOTENZIAL BEI BEGRENZTEM RISIKO
Das gilt allerdings nicht für jede Mittelstadt. Wer investieren möchte, muss sich die individuellen Bedingungen gut anschauen. Weist die Zahl der Bewohner noch oben? Wie geht es den großen Arbeitgebern der Region? Gibt es viele Arbeitsplätze, ist die Infrastruktur intakt? Wie ist der Freizeitwert? Auch wichtig zu eruieren: Ziehen diese Städte nur Zuzügler aus der Region an oder haben sie auch regional, überregional oder sogar international Potenzial? Umso mehr ist der Zuzug ein Indiz für die Attraktivität.
Stimmen die Eckdaten, bieten gerade solche B-Städte für Investoren Wachstumspotenzial bei begrenztem Risiko. Daniel Ritter, Geschäftsführer bei VON POLL IMMOBILIEN (VPI), drückt es folgendermaßen aus: „Viele Standorte sind vielversprechender, als man allgemein annimmt und weisen ein günstigeres Rendite-Risiko-Verhältnis auf als eine Großstadt.“
So zeigte sich im Marktbericht 2015 von VPI, dass im Jahr zuvor zwar wie erwartet in München pro Ein- oder Zweifamilienhaus-Verkauf am meisten Geld umgesetzt wurde. Betrachtet man den Umsatz aber pro Einwohner, steht Münster ganz oben auf dem Treppchen. Es folgen Mainz, Bonn und Oldenburg. Erst dann taucht als erste Großstadt Hamburg auf. Der starke Anteil an individuellem Wohnungsbau und der starke Zuzug in die Mittelstädte gaben dafür den Ausschlag. Besonders stark stieg der Pro-Kopf-Umsatz in Münster und Bonn, aber auch in Bielefeld und Braunschweig sowie in aufstrebenden ostdeutschen Städten wie Erfurt, Dresden und Magdeburg.
HOHE WACHSTUMSRATEN AUCH BEI EIGENTUMSWOHNUNGEN
Auch im Sektor Eigentumswohnungen verzeichnen die wachsenden Mittel- und Universitätsstädte laut VPI-Research das größte Pro-Kopf-Umsatzwachstum. Wirft man einen Blick auf den Wohnungsneubau, ein guter Indikator für einen vitalen Immobilienmarkt, stand im Jahr 2014 tatsächlich eine Stadt mit nur 142.000 Einwohnern an erster Stelle, und zwar mit großem Abstand: das bayerische Regensburg. Die Stadt der Ingenieure punktet nicht nur mit einer hohen Arbeitsplatzdichte und einer florierenden Industrie sondern auch mit einer von der UNESCO geschützten Altstadt. Wer erfolgreich und schön zugleich ist, muss tatsächlich keine Millionenstadt sein. Viele Perlen gibt es unter den deutschen Mittelstädten – genauer hinsehen lohnt sich.