
Barrierearm wohnen – Heute schon an morgen denken
Mit Mitte vierzig überlegen, wie und wo man mit siebzig wohnen will? Kaum jemand mag sich in der Mitte des Lebens Gedanken darüber machen, welche Herausforderungen damit einhergehen können. Dabei steht das eigene Zuhause wie kaum etwas anderes für Lebensqualität – in jedem Alter. Wie man diese Lebensqualität durch frühzeitige Vorkehrungen langfristig erhalten kann, erfahren Sie hier.
Wie wir wohnen, hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Lebensfreude, unser soziales Umfeld und unser allgemeines Wohlbefinden – auch und gerade im letzten Lebensdrittel. Über die Frage „Wie will ich wohnen, wenn ich älter bin?“ sollte man sich daher so früh wie möglich klar werden. Fakt ist: Bei vielen Menschen lässt im Alter irgendwann die Beweglichkeit nach, die Mobilität nimmt ab und die Hilfsbedürftigkeit steigt. Doch eines bleibt bei den meisten bestehen: der Wunsch nach einem selbst bestimmten Leben im eigenen Zuhause.
Damit sich dieser Wunsch erfüllt, sollte man in jedem Fall frühzeitig und vorausschauend planen – was eigentlich auf der Hand liegt. Doch ein Großteil aller Wohnungen und Häuser in Deutschland ist nicht oder nur unzureichend auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten. Tatsächlich sind Ausstattungsmängel in den eigenen vier Wänden der meistgenannte Grund, warum Senioren ihren Haushalt nicht mehr eigenständig führen können. Dabei gilt die Devise „Heute schon an morgen denken“ nicht nur für die finanzielle Altersvorsorge, sondern auch beim Bau bzw. Kauf eines Hauses oder einer Wohnung. Wer beim Erwerb einer Immobilie einige Kriterien berücksichtigt, kann später den altersbedingten Umzug um Jahre hinauszögern oder sogar gänzlich vermeiden – und auch noch im hohen Alter im vertrauten eigenen Zuhause wohnen bleiben.
Die Nachfrage nach altersgerechtem Wohnraum steigt
Durch den demografischen Wandel steigt der Bedarf an barrierearmem Wohnraum massiv. Die Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sprechen für sich: So werden bis zum Jahr 2030 rund 19 Mio. Haushaltsvorstände älter als 60 Jahre sein, was einem Zuwachs von etwa 30 % seit 2010 entspricht – die Zahl der Haushalte mit über 75-Jährigen ist noch um einiges höher –, wohingegen die Anzahl der jüngeren Haushalte deutlich abnehmen wird. Gleichzeitig wird aber immer mehr Wohnraum beansprucht, sodass mit einer Zunahme von Ein- und Zweipersonenhaushalten zu rechnen ist, von denen ein überproportionaler Anteil kleine Wohnungen sind, die von Senioren genutzt werden. Laut dem KfW Research, einer Erhebung der Kreditanstalt für Wiederaufbau, eine der führenden Förderbanken weltweit, gab es im Jahr 2020 ca. 3 Mio. Haushalte mit Mobilitätseinschränkungen, im Jahr 2035 werden es mindestens 3,7 Mio. sein. Für diese Zielgruppe sind Barrieren im privaten Wohnumfeld nicht nur eine Alltagserschwernis, sondern auch ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko.
Altersgerecht wohnen im vertrauten Umfeld
Wer möglichst lange selbstständig, sicher und selbst bestimmt in der vertrauten Umgebung wohnen bleiben möchte, sollte also einige wesentliche Punkte beachten. Erstens sollte die Umgebung so gestaltet sein, dass man fußläufig und ohne Hindernisse Versorgungsangebote, Ärzte, Apotheken, Banken sowie Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs problemlos erreichen kann. Bei einem Immobilienerwerb oder Hausbau ist auch hinsichtlich altersgerechten Wohnens die Wahl des Standortes essenziell. Zweitens sollte sichergestellt sein, dass soziale Netze tragfähig bleiben oder neu geschaffen werden können, um möglichst lange am Gemeinschaftsleben teilzuhaben und gegenseitige Unterstützung zu erfahren. Drittens sollte die Wohnung so barrierefrei wie möglich ausgestattet sein, um bei Geh- und
Bewegungsbeschwerden mögliche Hindernisse zu minimieren.
Mehr Lebensfreude durch Barrierefreiheit
Obwohl etwa jeder siebte Mensch ab 65 Jahren körperlich eingeschränkt ist und mit steigendem Alter die
Mobilitätsprobleme zunehmen, lebt nur ein Drittel der mobilitätseingeschränkten Personen in einer stufenlos erreichbaren Immobilie.
Dabei ist ein barrierefreier Zugang zur Wohnung oder zum Haus für altersgerechten Komfort ebenso wichtig wie eine entsprechende Ausstattung der Innenräume. Diese beginnt mit einem ebenerdigen Zugang, ggf. ergänzt durch einen Fahrstuhl und/oder geeignete Hilfsmittel
wie Rampen, Treppenlifte o. Ä. Zudem sollte das Zuhause über ausreichende Türbreiten (mindestens
90 cm, besser mehr) verfügen, um sich z. B. mithilfe eines Rollators oder Rollstuhls problemlos fortbewegen und den Raum wechseln zu können. Die Badausstattung sollte eine bodengleiche Dusche, ggf. eine Badewanne mit Einstieghilfe, rutschhemmende Fliesen sowie ein komfortables WC mit passender Sitzhöhe beinhalten, ebenso wie Haltegriffe und einen unterfahrbaren Waschtisch. Auch in der Küche sollte es unterfahrbare Arbeitsflächen in der passenden Höhe geben;
Schränke und Utensilien sollten leicht zugänglich sein. Im Schlafzimmer ist auf viel Bewegungsfreiheit rund um das Bett und die richtige Betthöhe zu achten, während Schränke bzw. Kleiderstangen über entsprechende Griffhöhen verfügen sollten. Neben einer geeigneten technischen Ausstattung (u. a. mit ausreichender Beleuchtung und ggf. der Integration von Bewegungsmeldern) sollte auch die Anbindung an einen lokalen Pflegedienst gegeben sein, der im Notfall schnell und einfach verständigt werden kann.
Ansonsten gilt generell: Stolperfallen vermeiden und nach Möglichkeit für schwellenfreie Raumübergänge sorgen, klemmende Türen oder schwer zu öffnende Fenster bei Bedarf ersetzen und Schalter, Griffe, Armaturen und Steckdosen am besten in einer Höhe von etwa 85 bis 90 cm anbringen, um diese leichter
bedienen zu können.
Auch beim Hausbau schon an später denken
Wer barrierefrei bauen will, sollte die genannten Anforderungen von vornherein berücksichtigen, um später ggf. erforderliche altersgerechte Umbauten von vorneherein zu vermeiden. Zudem ist es sinnvoll, bereits den Grundriss bzw. die Raumaufteilung entsprechend zu planen. Obwohl es festgelegte Regeln und Vorschriften hinsichtlich der Barrierefreiheit (siehe Info-Kasten) gibt, empfiehlt es sich, die Situation und die Umstände des jeweiligen Bauortes zu berücksichtigen, alle Gegebenheiten zu analysieren und darauf basierend die barrierefreie Gestaltung zu planen.
Erfüllt das eigene Haus oder die Eigentumswohnung die Kriterien der Barrierefreiheit nicht, lohnt es sich, über einen Umzug nachzudenken. Kommt dieser nicht infrage, sind Umbaumaßnahmen bzw. eine Anpassung des Wohnraums notwendig – wobei auch hier bestimmte Bauvorschriften einzuhalten und die Kosten realistisch zu kalkulieren sind. Falls es sich nicht um die eigene Immobilie handelt, sollte diesbezüglich im Vorfeld Rücksprache mit dem Vermieter gehalten werden.